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Nach Bildern von Robert Zünd

 

 

 

Der Klangkörper setzt sich aus drei unterschiedlichen Tonsystemen zusammen. Jedes Tonsystem entspricht einem anderen Instrument, das einen spezifischen Charakter besitzt. Die Lautsprecher stehen für ein dichtes Laubdach eines virtuellen Waldes, die Piezo-Ranken für Kleintiere, Pflanzliches und Sonnenkringel, die Klangwand für Ferne und Weite.

 

Luzern Luzerner Zeitung , 14. Juli 2004 / Nr. 161

Ein Lichtstrahl wird hörbar

Pius Morger hat im Kunstmuseum Luzern einen Klangraum geschaffen. Die Installation ist eine akustische Ergänzung zu den Naturmalereien von Zünd.

In unregelmässigen Abständen kommt leichter Wind auf. Baumkronen scheinen sich zu bewegen. Feinste Klangpartikel schweben im Raum, überlagern sich, lösen sich auf. Woher tönen sie? Von oben? Von hinten? Von der Seite? Ein fernes, helles Geklingel. Das Spiel von Wasser. Vögel zwitschern. Wenn man länger im Raum verweilt und ab und zu die Positionen wechselt, lässt sich vielleicht wahrnehmen, wie sich das Licht verändert, wie Wolken aufziehen, überhaupt: wie ein Raum lebt. Aber nichts ist hier zu sehen. Es klingt nur.

Virtuelle Landschaften

Der Zürcher Klangkünstler Pius Morger hat mit seiner Klanginstallation im Kunstmuseum Luzern ein akustisches Pendant zu den Bildern des Luzerner Landschaftsmalers Robert Zünd geschaffen. „Spazieren durch virtuelle Landschaften nach Bildern von Robert Zünd“ heisst sein Projekt. Die Intention: einen akustischen Raum zu gestalten, der einen möglichst physisch erlebbaren Bezug zur Natur herstellt.

Sämtliche Klänge, die in diesem Raum so plastisch die Natur nachzeichnen, sind synthetisch. Ein Widerspruch? Nicht für Pius Morger. „Ich will nicht den Wald oder eine andere Landschaft direkt in den Raum holen, sondern das Gehör öffnen für Klänge, die in der Natur vorhanden sind.“ Mit andern Worten: Statt mit Feldaufnahmen Authentizität vorzugaukeln, lässt Morger den Besuchern die Freiheit, zu assoziieren und selber Bilder zu entdecken. „Ich will eine Ahnung geben, wie ein Wald oder eine Landschaft tönen könnte.“ Dem kommt er mit der Abstraktion viel näher als mit der Wiedergabe des Naturalistischen.

Drei Klang-Systeme

Dazu kommt seine Lust und Leidenschaft, mit den synthetischen Klängen die visuellen Eindrücke wie mit einem Pinsel nachzuzeichnen, ihnen akustisch auf die Spur zu kommen. Es ist ein ähnliches Arbeiten wie früher, als er filmisch tätig war (siehe Kasten). „Ich kann den Wind viel präziser und prägnanter setzen, als wenn ich bloss seine Geräusche aufnehmen und wiedergeben würde.“ So hat er sich für sein Luzerner Projekt stets wieder überlegt, was denn einen Wind klanglich ausmacht, wie ein Lichtstrahl klingt, der durch das Laub fällt, oder wie das Gefühl von Hitze klanglich zu vermitteln ist.

Um akustisch möglichst die Tiefe auszuloten, wie sie Robert Zünd mit seiner Malerei vermittelt, hat Morger drei Klang-Systeme eingesetzt, die sich ineinander verschränken: Lautsprecherboxen, Piezos und Flat Panels. Piezos sind kleine, kristalline Klangkörper, die wie Girlanden von der Decke hängen und die hohen, feinstofflichen Frequenzen übertragen. Die im Raum verteilten Lautsprecher suggerieren Bewegung und Dichte. Die acht Flat Panels sind grossformatige Platten, die an der Wand hängen und akustisch Ferne und Weite abstrahlen. Jeder Klangkörper hat seine Klanglichkeit, deren Zusammenspiel die raumfüllende Wirkung ergibt.

Konzert vs. Klangraum

Was Pius Morger macht, ist nicht so sehr ein musikalisches Komponieren, als vielmehr ein räumliches Gestalten. Die akustischen Schallträger benutzt er wie Instrumente, die gezielt im Raum positioniert werden und dadurch eine Vielfalt von Emotionen und Atmosphären auslösen. Anders als bei einem Konzert, wo die Hörenden sich frontal zum Klangereignis setzen und sich von der Darbietung etwas erzählen lassen, machen Hörende in einem Klangraum ganz andere Erfahrungen. „Sie stehen mitten im Geschehen, können darin spazieren gehen und die Klanglichkeit selber erforschen.“ Es ist eine Erfahrung, die für viele noch befremdend wirkt, obwohl sie im Grunde viel natürlicher ist als jedes Konzert.

Pirmin Bossart

 

 

2004

8 Kanäle verteilt auf 8 aktive Boxen, 6 Kanäle verteilt auf 4 x Piezo-Ranken à 12 Strings bestückt mit insgesamt 206 präparierte Piezos, 4 Kanäle verteilt auf 8 Black-Paneelen, bestückt mit je einem Flat-Panel

sichtbar numerierte Klangwege.

Kunstmuseum Luzern Foto: Andri Stadler, Luzern